Ein Vorschlag für eine Ontologie zum Versorgungswesen der Findel- und Waisenkinder

Die digitale Edition der Augsburger Baumeisterbücher bildet mit ihren derzeit 31 (Stand: 25.01.2019) edierten Bänden der mittelalterlichen Stadtrechnungsbücher eine äußerst komplexe Wissensdomäne. Das Quellenmaterial liefert dabei beachtliche Einblicke in das urbane Leben des späten Mittelalters und ist dabei von großem Wert für die verschiedensten geschichtswissenschaftlichen Teildisziplinen. Der „User“ wird bei der inhaltlichen Erschließung durch einen umfassenden Index unterstützt, der derzeit mehr als 9.000 Einträge umfasst. Trotzdem birgt ein so großer Bestand nicht zuletzt auf Grund seiner Heterogenität gewisse Probleme bei der inhaltlichen Erschließung. Ein Modell kann hier Abhilfe verschaffen. Modelle dienen der Zusammenführung und dem Austausch von kollektivem Wissen. Sie können Kontexte beschreiben und durch das Erklären von Phänomenen werden Schlussfolgerungen aus dem so erschlossenen Material möglich. Eine Sonderform bilden Ontologien. Dabei handelt es sich um „[…] formale Begriffssysteme zur Modellierung von Wissen über einen spezifischen Gegenstandsbereich und deren technische Umsetzung […]“ (Rehbein, Ontologien, 162.). Basierend auf einem Teilbestand des Index wird hier eine Ontologie vorgestellt, die semantische Bezüge zwischen den Indices aufzeigt und die Index-Begriffe definiert.

Normalerweise werden Ontologien in RDF implementiert. Für die technische Umsetzung wurde hier jedoch Neo4j gewählt. Eine Graphdatenbank in Neo4j hat dabei viele Vorteile. Durch ihre Flexibilität und Schemalosigkeit eignet sie sich besonders gut für die Arbeit mit heterogenen Datenbeständen. Im Vergleich zu RDF ist die Technologie im Bereich der Digitalen Geisteswissenschaften bisher weniger populär und es handelt sich dabei um keinen freien Standard. Gerade die geringere Popularität kann als Anlass genommen werden, um Neo4j auf den Prüfstand zu stellen, damit untersucht werden kann, welche Vor- und Nachteile es für die Implementierung von Ontologien mit sich bringt.

Als Untersuchungsmenge dienen 130 Einträge zum Versorgungswesen der Findel- und Waisenkinder, die den Zeitraum von 1388-1414 abdecken. Sie wurden unter Zuhilfenahme der Suchfunktion auf der Homepage der Edition über die Suchbegriffe “Sternin”, “Findelkinder” und “Waisenkinder” ermittelt. Anschließend wurden die Daten (Einträge, Indexbezüge, etc.) in einem technisch gestützten händischen Verfahren aus dem Material der Edition gewonnen, da das semistrukturierte Markup der Transkriptionen derzeit keinen Zugriff auf die Indexbezüge zulässt. Dies hatte jedoch auch zur Folge, dass die Indexdaten in Bezug auf das gewählte Thema optimiert werden konnten. Einen Link zu den Daten sowie eine Anleitung, wie man die Graphdatenbank lokal am eigenen Computer einrichten kann, findet sich hier.

Verweise

Dean Allemang / Jim Hendler: Semantic Web for the Working Ontologist. Effective Modeling in RDFS and OWL. Waltham 2011.

Malte Rehbein: Ontologien. In: Fotis Jannidis / Hubertus Kohle / Malte Rehbein (Hg.): Digital Humanities. Eine Einführung. Stuttgart 2017, S. 162-176.